Date: Sat, 26 Jun 2010 08:41:26 +0200
Mittsommer!
Da freuen sich alle kleinen Tiere, Trolle, und auch wir, und man feiert erleichtert-beschwingt die helle Zeit. Und während die Skandinavier heute morgen noch mit Kopfweh im Bett liegen, dachte ich mir, ein muministischer Rundbrief zu diesem zweithöchsten nordischen Fest könnte doch auch mal eine Überraschung sein. [Wer keinen Rundbrief mehr möchte: kurze Meldung genügt.]
Tove Jansson war nach allem, was man so zu lesen bekommt, aufrichtig musikliebend. Die größeren Mengen Musikkassetten, die sie auf der kleinen Schäre Klovharu in den langen Sommern dabei hatte, finden in den Biographien wiederholt Erwähnung. Ihre Lebenspartnerin Tuulikki Pietilä lernte sie beim »Auflegen« auf einer Künstlerweihnachtsfeier kennen. Aber selbst wenn die Geschichte »Die Frühlingsmelodie« (»Geschichten aus dem Mumintal« GM, Kapitel 1) so kenntnisreich vom Komponieren und seinen Blockaden erzählt: Musikerin im engeren Sinne war Tove nicht; und doch existieren etliche von ihr selbst getextete Mumin-Lieder, deren Entstehungsgeschichte von etwa 1960 bis 1980 ich in den letzten Wochen nachvollzogen und in eine Reihenfolge zu bringen versucht habe.
Die meisten Mumin-Lieder sind Zustandsbeschreibungen je einer Figur der Mumin-Welt. Sie gehören zu jenen »Mumin-Nebenwerken«, bei deren Erstellung Tove Jansson eine mitschöpfende weitere Person in ihren Kosmos hinein nahm – in diesem Fall die finnische Komponistin Erna Tauro, welche vor allem im Theaterbereich wirkte und hier die Melodien beisteuerte.
Wie so vieles andere begannen auch diese Lieder ein Eigenleben zu führen und regten ihrerseits die Entstehung neuer Mumin-Werke an. Die Ergebnisse meiner Recherche habe ich auf einer eigenen Seite im Virtuellen Muminforschungszentrum zusammengefasst:
http://www.zepe.de/mumin/anli.php
Kürzlich fiel mir ein nirgendwo, nicht mal bei der (fast) allwissenden Boel Westin gelisteter Text von Tove Jansson in die Hände. Dieser erschien in einer Anthologie finnlandschwedischer Schriftsteller, welche die finnische Hauptstadt als Themenvorgabe hatte (»Address: Helsingfors«, Schildts förlag, 1994). Der Text von Tove Jansson ist »Skatudden« betitelt (der Name des Stadtviertels, in dem sie aufwuchs), bringt ins Literarische gewendete Kindheitserinnerungen und passt stilistisch wie inhaltlich so genau zum Buch »Die Tochter des Bildhauers« (1968), dass ich vermute, dass es sich um ein seinerzeit vor Drucklegung ausgemustertes und hier nun nachträglich doch veröffentlichtes Kapitel handelt. Beigegeben ist eine Illustration, die ebenfalls aus Toves Fundus stammen dürfte.
Das Jahr wird noch reichlich Mumin-Comics bringen. Nicht nur, dass Reprodukt im September den dritten Band der ins Deutsche übersetzten Gesamtausgabe herausbringen will, nicht nur, dass bereits im Juli der fünfte und letzte Band auf Englisch erscheinen will (das wäre ja im Idealfall in wenigen Tagen) – nein, auch darüber hinaus tun sich Perspektiven auf. Drawn & Quarterly soll bereits die Rechte erworben haben, um mit den Mumin-Comic-Episoden von Lars Jansson weiterzumachen! In diesem Falle wären viele weitere fröhliche Jahre des Mumincomicsammelns garantiert; denn auch wenn Lars Jansson nicht so gut zeichnen konnte wie seine Schwester Tove: als er die Serie von ihr übernahm, blieb die Entwicklung eines wichtigen Teils des Mumin-Kosmos glücklicherweise in der Familie, und man kann sich auf eine größtenteils authentische »Mumin-Gesinnung« verlassen. Bei einem Fremdzeichner wäre vielleicht alles ganz anders gelaufen, Tove hätte sich ihr Werk nach der für sie sehr stressigen Comic-Zeit nie wieder ganz zu eigen gemacht, und wir hätten schlimmstenfalls die letzten vier Muminbücher nicht, wer weiß?
Sagte ich eben »Mumingesinnung«? Die gibt es, eindeutig. Wenn man dieser allerdings aus totalitärer Perspektive begegnet... das kann ja nicht gut gehen. Im Rahmen der Expo 2010, die von Mai bis Oktober in Shanghai stattfindet, gab es dann auch prompt Ärger:
[Link funktioniert nicht mehr]
Das kann ja nur bedeuten, dass wir mit unserer Vorliebe für die kleinen Trolle gar nicht so falsch liegen.
In diesem Sinne einen schönen Sommer!
wünscht Euer
Zépé
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