Date: Thu, 12 May 2011 22:03:04 +0200
Liebe Muministen und ähnliche,
es ist schon wieder genug um das Vermächtnis von Tove Jansson herum passiert, um davon zu berichten. Wie immer gilt: wer den Rundbrief nicht mehr möchte, informiere mich. Sogar noch ein ganz kleines bisschen lieber nehme ich Mailadressen in den Verteiler auf, die mir genannt werden.
Frisch aus der Druckerpresse liegt die Fortsetzung der Mumin-Comic-Gesamtausgabe des kanadischen Qualitäts-Verlegers Drawn & Quarterly vor. Da die Comics von Tove Jansson mit den ersten fünf Bänden bereits komplett sind, geht es nun um die Episoden, die ihr Bruder Lars im Anschluss schuf. Er übernahm das Comic-Geschäft mit Folge 22 (erschienen 1960) komplett und führte es lange Jahre bis Folge 73 (1975) weiter. Der Comic blieb also in der Familie, was Tove Jansson sehr wichtig war. Eine große Rolle spielte die Mutter der beiden Geschwister, Signe Hammarsten-Jansson. Sie war eine seit Jahrzehnten erfolgreiche Grafikerin und brachte dem inzwischen über 30-jährigen Lars im Schnellverfahren das Zeichnen für seinen Einstieg in die Serie bei. Wenn ich mir die ersten nach-Toveschen Episoden anschaue, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie zusätzlich darin kräftig mitgezeichnet hat, besonders ganz zu Anfang – in Geschichte Nr. 22 vielleicht sogar (fast) alleine? Zumindest kommt in dieser Folge keine Mumin-Mama vor, was ich irgendwie für ein Indiz nehmen möchte. Offiziell war aber nie davon die Rede.
Die Neuerung, die Lars selbst einbrachte, war, dass er seine Geschichten direkt auf Englisch (also ohne schwedischsprachiges Konzept) ausdachte. Das Englische ist bei seinen Comics also nicht nur Ersterscheinungs-, sondern sogar Originalsprache.
Die hier versammelten Geschichten sind:
Die Erzählweise ist im Allgemeinen eher reihend-episodisch und weniger geschlossen, die Mumins handeln im Durchschnitt etwas dümmer als zu Toves Zeiten. Dafür gibt es mehr direkt zündende, »very British« daherkommende Witze. Die Qualität der Zeichnungen kann sich nicht mit dem schwesterlichen Vorbild messen, obwohl weiterhin überaus viel Liebe zum Detail zu bemerken ist, beispielsweise in den Hintergrundschraffuren oder den Bildtrennern; doch mit Toves seit frühester Kindheit geübtem, perfekt sitzendem Strich sind die doch erheblich fahrigeren Linien von Lars nicht zu vergleichen. Insgesamt ist die Lektüre aber ein gewaltiges Vergnügen, das ich allen Mumin-Gesinnten ans Herz legen möchte.
Der Band ist hübsch gebunden und genauso großformatig wie seine fünf Vorgänger (über DIN A4). Schon bei den bisherigen D&Q-Bänden habe ich zunehmend darüber geklagt – dieses Mal ist das verwendete Papier allerdings wirklich penetrant gelb, und das nicht einmal durchgefärbt, sondern lediglich beschichtet; dabei fallen kleine Fehler in Form von weiß gebliebenen Punkten zusätzlich unangenehm auf. Ein kurzes Nachwort des finnischen Mumincomic-Experten Juhani Tolvanen schließt den Band ab. Es bleibt zu hoffen, dass nicht alle Folgebände dasselbe Nachwort haben werden, wie Band 1 bis 5 es ihrerseits hatten, denn wenn es in dem Tempo weitergeht, dauert es noch mindestens 15 Bände und fast ebenso viele Jahre, bis die Edition vollendet ist – da könnte man sich wirklich etwas mehr einfallen lassen.
Moomin: The Complete Lars Jansson Comic Strip, Book Six
ISBN 9781770460423
(in Deutschland ca. 15 Euro)
Nun vom Brandneuen zum ganz Alten. Antiquarisch gelang mir der Ankauf zweier sehr gesuchter Bücher, für die Tove Jansson Illustrationen schuf.
Zum einen ist dies das Buch »Jag« (»Ich«), das wohl erstmals 1937 erschien, und bei dem es sich um ein von Eltern auszufüllendes Buch über ihr Kind von der Geburt bis zur Einschulung handelt. Die Seiten sind nach Rubriken geordnet (Eltern, Großeltern, Geburtsgröße und -gewicht, Hand- und Fußabdrücke uvm.) – Gelegenheit für allerlei humorige Vignetten und Ornamente, ausgeführt in Dreifarbdruck rot-gelb-blau. Nun zum großen »Aber« ...: Welche Bilder die 23-jährige Tove beisteuerte, lässt sich nämlich nicht genau sagen, denn sie illustrierte das Buch mit ihrer Mutter zusammen bzw. umgekehrt. Wer sein Kunstbetrachtungsgespür testen oder auch nur die Bilder einfach mal sehen möchte, kann das nunmehr hier:
http://www.zepe.de/mumin/ilja.php
Zum anderen fertigte Tove Jansson eine ganze Reihe von Zeichnungen für ein seit den 1940er-Jahren in Finnland herausgegebenes Sprachlehrbuch »Learn English« an, das dem Vernehmen nach weit verbreitet war, von dem es aber heute kaum noch Exemplare gibt; offenbar vernichtete man aus dem Gebrauch gegangene Exemplare in großem Stil, anders lässt es sich nicht erklären, dass ich nach so vielen Jahren der Suche lediglich eine x-te Nachauflage mit unklaren Änderungen zur Erstausgabe ergattern konnte. Toves Zeichnungen finden sich nur im ersten Teil, später geht es mit Fotos weiter – ob dies von Anfang an so war, entzieht sich meiner Kenntnis. Zu sehen sind die Bilder jedenfalls hier:
http://www.zepe.de/mumin/ilen.php
Alle zwei Jahre erachtet man es in der Heimat der Mumins für nötig, ihrer Lieblingstrolle auf Briefmarken zu gedenken. Dieses Mal geht man erneut innovative Wege, denn die Werte im Satz von 2011 sind alle von unterschiedlichem Umriss, von windschief über oval bis wolkenartig. Dies liegt an ihrer Vorlage, dem Löcher-Bilderbuch WG »Mumin, wie geht's weiter«, in welchem bekanntlich verschieden geformte Aussparungen in den Seiten Durchblicke auf Vorangegangenes und noch Kommendes gewähren (vgl. Rundbrief vom Dezember 2003). Sobald eine Abordnung dieser Briefmarken bei mir eingetroffen ist, werde ich sie auf der entsprechenden Seite im Virtuellen Muminforschungszentrum abbilden:
http://www.zepe.de/mumin/vebr.php
Wer nicht darauf warten mag, kann auch schon bei der finnischen Post selbst schauen:
https://verkkokauppa.posti.fi/PublishedService?file=page&pageID=9&itemcode=105449 [nicht mehr vorhanden]
Ein fleißiger Mensch (oder eine Gruppe gar?) hat in geistiger Nachfolge von Tove Janssons Lebensgefährtin Tuulikki Pietilä allerlei Dioramen von Szenen aus den Mumin-Büchern gebaut und diese, mit musikalischen Fantasien unterlegt, in filmischer Form im Internet veröffentlicht:
http://www.youtube.com/user/ClayShore#p/u [nicht mehr vorhanden]
Über Musikgeschmack lässt sich ja bekanntlich äußerst lange und trefflich streiten bzw. überhaupt nicht. Die handwerkliche Seite kann aber selbst mich durchaus beeindrucken.
Passend zur heute angeschlagenen Mutter-Tochter-Thematik hänge ich noch ein Bild an, das Signe Hammersten-Jansson von sich und ihrer Tochter zeichnete. Ihre Signatur »Ham« ist auf dem Rock der kleinen Tove erkennbar, und später signierte sie ihre Zeichnungen in gleicher Manier mit Vornamen.
Damit grüßt bis zum nächsten Mal
aufs Muminologischste
Zépé
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