Date: Sat, 5 Feb 2011 09:30:00 +0100
Hier ist er, der erste muministische Rundbrief 2011. Ich hatte mich seit dem letzten Schreiben ein wenig vergraben: zunächst gab es eine Phase von Mumin-Erwerbungen bzw. -Erwerbungsversuchen, wobei strahlender Erfolg und schnödes Nachsehen recht abwechslungsreich aufeinander folgten; sodann habe ich einfach mal Forschungspause gemacht – aber nun bin ich wieder da :-)
Die Zahl der Rundbrief-Empfangsadressen beginnt an der 200 zu kratzen – wer eine ebenfalls interessierte Person kennt: immer her damit. Wer hingegen den Rundbrief nicht mehr will (z. B. weil die Adresse irrtümlich auf der Liste gelandet ist): Nachricht genügt.
Bergfest in der neu übersetzten Mumincomic-Gesamtausgabe von Reprodukt! Der dritte Band erschien im November, und was soll ich sagen: er ist einfach nur schön, schön und nochmals schön. Leinenrücken, der Umschlag in optimistischem, tiefem Grünblau, knallrotes Vorsatzpapier mit weißen Mumins – herrlich. Und innen gehen die haptischen und ausstattungsmäßigen Freuden unvermindert weiter: ein halbdickes, angenehm untechnisch wirkendes Papier und schwarze Flächen, die einfach nur schwarz sind. Alles ist sauber, edel und erfreulich.
Schon so viel Entzücken habe ich geäußert, und der Inhalt war noch gar nicht dran; nun denn: Beim mittleren von fünf Bänden muss man davon ausgehen, dass eine Reihe ihren Stil gefunden hat. Das Übersetzungsteam (Annette von der Weppen, Michael Groenewald und Matthias Wieland) hat sich nunmehr endgültig entschieden, eher nachschöpfend als philologisch tätig zu sein. Das heißt: der hier zu lesende Text ist zwar auch eine Übersetzung, doch bei jeder sich bietenden Gelegenheit wird der bereits in den vorigen Bänden angeschlagene deutsch-idiomatische Plauderton gepflegt. Hatte ich darob seinerzeit noch die eine oder andere Stirnfalte gezogen, so muss ich doch inzwischen sagen, dass das Verfahren einen hervorragend lesbaren, temporeichen und hochvergnüglichen Text liefert. Ich erkläre mich für überzeugt und behaupte nunmehr: so darf, so soll man es machen.
Das Buch enthält nicht wie sonst vier, sondern diesmal sogar fünf Episoden, die erstmals zwischen 1956 und 1957 erschienen:
Wie man sieht, sind die Einzelgeschichten von Ausgangslage und Charakter her sehr unterschiedlich, aber immer umwerfend komisch und doch auch tief empfunden. Tove Janssons Zeichnungen künden von der erreichten Meisterschaft im Comiczeichnen, sind nicht mehr so verspielt wie in den ersten Episoden, sondern ökonomisch durchgearbeitet, dabei weiterhin überaus reichhaltig.
Als Anhang finden sich ein großes Foto der Autorin sowie ein eigens verfasstes Nachwort »Der Comic vervollständigt das Universum« des finnischen Mumin-Experten Juhani Tolvanen beigegeben, wodurch der Band endgültig zu einem gleichermaßen Pracht- wie Pflichtstück für die Bibliothek eines jeden Muministen wird.
Mumins – Die gesammelten Comic-Strips von Tove Jansson
Band 3
Reprodukt, Berlin
ISBN 3941099493
24 €
Unter erheblichem finanziellen Aufwand ist mir der Erwerb eines kleinen Buches gelungen, das zu den ganz selten zu findenden unter Tove Janssons Illustrationswerken für andere Autoren gehört. Eric Gardberg veröffentlichte 1952 (also im Jahr des Bilderbuchs »Mumin, wie geht's weiter« WG) eine Sammlung eher anspruchsloser Geschichten, in denen vermenschlichte Tiere auftreten. Tove Jansson steuerte einige Schwarzweiß-Illustrationen und das Buchtitelbild bei. Das Büchlein erschien, so wie es aussieht, in einer nur sehr kleinen Auflage in Finnland. Die Illustrationen zeichnen sich durch einen herangereiften »Mumin-Stil« aus – allerdings ist kein Mumintroll zu sehen (wie noch in den Illustrationen zur ein Jahr zuvor erschienenen Theaterstücksammlung »Våren vaknar«), lediglich im letzten Kapitel findet sich eine Sniff-Zeichnung – er verkörpert hier allerdings die Maus Göran aus dieser Geschichte.
Die Illustrationen sind nunmehr hier zu bewundern:
http://www.zepe.de/mumin/ilze.php
Während Tove Jansson eine überaus fleißige Briefschreiberin war, hielt sie sich mit schriftlichen Veröffentlichungen außerhalb ihrer eigenen Bücher sehr zurück. Unter den wenigen »sonstigen« Texten, die sich in meiner Sammlung angefunden haben, sind auch die folgenden, je einer Person gewidmeten:
1959 schrieb TJ in der Literaturzeitschrift »Bonniers Litterära Magasin« (BLM, erschien in Skandinavien von 1932-2004!) eine kurze Notiz über die Bilderbuchautorin Elsa Beskow, die mit »Hänschen im Blaubeerwald« auch in Deutschland berühmt wurde. In dem nur zweiseitigen Text stellt TJ die besondere kreativitätsfördernde Eignung von Beskows Bildgeschichten heraus, darin auf eine viel eigenständigere Art »wegzuträumen«, als es in bizarreren Szenarien anderer Autoren möglich wäre.
1967 druckte die finnlandschwedische Pfadfinderinnenzeitung einen Vortrag TJs ab, den sie kurz zuvor beim entsprechenden Verband gehalten hatte. Darin erzählt sie, wie ihre Mutter Signe Hammarsten, genannt Ham, Anfang des 20. Jahrhunderts in Schweden die Mädchen-Pfadfinderbewegung gegen allerlei Widerstände und veraltete Rollenbilder auf den Weg gebracht hatte. Dieser Text ist in der Kulturzeitschrift »cora« vom Juni 2010 wieder abgedruckt worden, vermehrt um einige Fotos aus familiärem Bestand.
Ein sehr kurzer Text von Tove Jansson ging in ein Erinnerungsbuch für den sehr menschrechtsbewegten Bildhauer und Schriftsteller Carl-Gustaf Lilius (1928-1998) ein. Das Buch erschien im Jahr 2000 und besteht aus zahlreichen Würdigungen von Bekannten und Weggefährten, durchaus in verschiedenen Sprachen. TJ findet kurze, aber einfühlsame Worte der Erinnerung; es muss sich um einen ihrer spätesten veröffentlichten Texte handeln.
In Berlin sah ich in einem sehr netten Laden eine Hängeleuchte, die tatsächlich von der kleinen My inspiriert ist. Darauf musste meine Partnerin mich erst aufmerksam machen, ich sehe ja öfters den Wald vor lauter Bäumen nicht. Das Modell ist, wie ich meine, ein hübsches Gegenbeispiel für die ansonsten so oft gesehene Hau-drauf-Verwertung von Muminmotiven durch simple Bedruckung von allerlei Gegenständen. Bild hängt an.
Damit grüßt bis zum nächsten Mal
das Virtuelle Muminforschungszentrum
in Form von
Zépé
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